Es war einmal vor grauer Zeit in einem unwirtlichen Land auf einer einsamen Straße bedeckt vom frischen Schnee der letzten Nacht. Die kargen Äste neigten sich über den schmalen Tunnel, der sich durch ihr Unterholz zog und zwei ferne unerreichbare Orte miteinander verband. Es war eine einsame Straße in einem einsamen Wald, die nur selten Wanderer beherbergte, doch in den letzten Wochen schien sie zur Hauptverbindung zwischen den beiden fernen Orten geworden zu sein. Wie Schwärme von Ameisen wuselten die Menschen. Etwas furchtbares musste passiert sein, dass sie zwang in solch scharen diesen Weg zu nehmen. Doch nun lag die Straße erneut still und einsam dar. Bedeckt unter einem frischen weißen Mantel. Ein leiser Wind wehte durch die Zweige und ließ das weiße Pulver tanzen. Am Ende der Straße erschien eine Silhouette. Klein und gebrechlich stapfte sie immer geradeaus. Nur das eine Ziel vor Augen.
Ein Fuß vor den anderen setzend pflügte es durch den Schnee und hinterließ eine Spur, der leicht zu folgen war. Doch es dachte nicht an die Verfolger. Es dachte auch nicht an die Familie, die es verloren hatte. Es dachte nur an den Hunger. Der Hunger, der sich durch Mark und Bein fraß und den Kopf leerte.
Irgendwann teilte sich der Wald und eine Brücke überspannte einen Fluss. Und dann kamen sie. Mit bebender Erde von Stiefeln und Ketten. Der magere Schatten suchte Zuflucht unter der Brücke, doch die Spuren im frischen Schnee verrieten ihn. Aber hier im weißen Nichts schien etwas erbarmen mit dem armen Geschöpf zu haben. Eine Front aus Schnee und Eis brach auf den Wald hernieder und vergrub die Verfolger unter einer Schicht aus kaltem Weiß.
Zurück blieb ein gebrechlicher Schatten, geschützt vom Stein der Brücke. Es streckte die Hände aus und ließ die kalten Flocken des Schnees dankbar auf seine Finger rieseln.
Es folgte dem Weg und fand eine Ansammlung von Hütten auf seinem Pfad. Eine neue Heimat. Nicht sicher, aber sicherer als der Wald. Herzlich waren die Bewohner, trotz des Leides Sie gaben dem kleinen Wesen Unterschlupf und Essen, Wärme und Geborgenheit. Es wurde älter und verließ das Dorf, um eine neue Welt zu erkunden. Es fand Arbeit, Freunde und Liebe, gründete eine eigene Familie, wurde alt und glücklich. Doch nie vergaß es diesen Tag, an dem Schneeflocken sein Leben retteten.